Können echte Wanderschuhe „Barfuß“ sein? Oder ist das nur ein Etikettenschwindel um einen normalen, halbhohen Schuh anders zu vermarkten? Und wofür taugt eigentlich ein Wanderschuh, was muss der im harten Wanderleben können? Ich denke, viele Antworten hängen hier tatsächlich von den geographischen Verhältnissen ab, in denen man sich bewegt. Ein Wanderschuh ist eben kein Bergschuh, und ein Trekkingstiefel noch kein Winterschuh. Oder doch?
Eines muss ich für diesen Test vorneweg nehmen: Ich gehöre tatsächlich zu den glücklichen Personen, die selten unter kalten Füßen leiden. Und genau so sehen auch meine Winterschuhe der letzten Jahre aus. Meistens verwende ich nur leichte Trekkingstiefel mit einer Membran. Ja, genau die, mit denen andere Menschen im Sommer durch die Berge stolpern. Mir genügt das eben.
Nach langen Jahren in meinem Salomon Leichtbergstiefeln trug ich die letzten zwei Jahre ein Modell von La Sportiva mit einer modernen Goretex 3D Membran. Im Prinzip ein guter Schuh, da er reichlich Platz liefert, halbwegs wasserfest war (!) und die Sohle auf fast allen Untergründen zuverlässig Grip geboten hat. Aber…
Jedesmal, wenn ich in meinen Schuh reingeschlüpft bin, hatte ich das Gefühl, auf einmal in Pumps unterwegs zu sein. Leider hat die Firma auf meine Anfragen nie reagiert und mir keine technischen Informationen zu Sprengung und weiteren Eigenschaften gegeben. Vermuten würde ich hier aber, dass der Schuh einen Drop von mindestens 15+mm aufweist. Als begeisterter und vor allem überzeugter Barfuß-Schuh-Träger ist das ein absolutes No-Go und eine echte Qual.
Aber welche Schuhe kann ich tragen? Der Markt der Barfuß-Winter- oder Wanderschuhe ist noch sehr übersichtlich. Vor allem wenn man berücksichtigt, dass wir nicht im schneefreien Flachland wohnen, sondern in den (richtigen) Bergen. Da wird es im Winter auch mal deutlich unter -15°C kalt und Schnee ist keine seltene Erscheinung, sondern Dauerzustand. Im Sommer/Herbst hingegen ist Grip auf Steinen, Wurzelwerk und sonstigem unwegsamen Gelände geboten. Zum Glück bin ich ja kein Kind mehr, denn auf dem entsprechenden Markt für Kinderschuhe sind hier kaum Modelle zu finden, die diese Herausforderungen meistern können. Bei den Erwachsenen gibt es wenigstens ein paar Versuche von Lizzard, Vivobarefoot und anderen Herstellern.
Im Frühjahr stattete ich auf der Outdoor-Messe in Friedrichshafen Joe Nimble einen Besuch ab, um mir deren Schuhe näher zu betrachten. Was mich neugierig gemacht hat war, dass Joe Nimble den Auftrag „Barfuß-Schuh“ so ernst genommen hat, dass die eigenen Produkte nur noch unter dem Label „Functional Footwear“ verkauft werden. Klingt komisch, ist aber so. Auf Nachfrage wurde mir mitgeteilt, dass man sich „so lange es keine einheitlichen Kriterien gibt und sich jeder Schuh ‚Barfuß‘ nennen darf“ auf einige wenige harte Fakten beschränkt: Zero Drop, breite Zehenbox, so gut wie keine Dämpfung. Minimalistisch eben.
Mit dem Plan, nach einem würdigen Laufschuh-Nachfolger für meine geliebten Merrell Vapor Glove Ausschau zu halten, stolperte ich über ein ganz anderes, vielversprechendes Prototypen-Modell: einen Wanderschuh aus Leder, der noch dazu unverschämt gut aussieht! Mein Interesse war mehr als geweckt.
Ein paar Wochen später war es dann so weit: Unboxing!
Wie schaut das finale Modell wirklich aus. Wie trägt er sich. Wie viel Grip bietet die Sohle. Werden Füße in dem Leder schwitzig. Passt er an meinen Fuß. Fragen über Fragen… und vor allem muss ich zugegeben, dass ich über die Jahre echt pienzig geworden bin was Schuhe betrifft. Ich erwarte ja nicht viel – nur dass er perfekt ist.
Also, Schachtel auf für Joe Nimble! Wow. Der schaut echt gut aus. Schnell reingeschlüpft – passt von der Länge. Sehr gut. Passform ok, jedoch im Vergleich zu anderen ist die Ferse relativ schmal geschnitten und liegt an. Die Sohle sieht nach einem guten Profil aus. Die ersten Schritte im Haus hinterlassen einen durchweg positiven Eindruck.
Einziges Problem: Die zu dem Zeitpunkt herrschenden Außentemperaturen von deutlich mehr als 30°C hindern mich am Testen. Mir ist das einfach zu warm in solchen Schuhen. Also warten auf den Herbst.
Allgäu im September: Pünktlich zum Viehscheid wird es endlich ein wenig kühler. Super Gelegenheit den Schuh auf einer Mini-Wanderung den Kühen entgegen zu testen. Doch eine Frage geht mir dabei nicht aus dem Kopf. Kann ich den Schuh wirklich draußen anziehen? Der ist so schön, so klassisch – der sieht im Winter mit Sicherheit auch sehr gut zu Jeans im Büro aus. Ist das wirklich ein robuster Wanderschuh oder doch eher ein Business-Racer?
Nun. Wer getestet werden will, muss da jetzt eben durch. Gesagt getan, wenn auch nur für eine kurze Runde. Bequem, auch wenn die schmale Ferse auf den ersten Metern für mich gewöhnungsbedürftig ist. Meine Zehen haben reichlich Platz um zu arbeiten, die Sohle vermittelt noch ausreichend Bodenkontakt.
Anzumerken ist hier, dass ich zwei unterschiedliche Einlegesohlen mitbekommen habe: einmal mit einer minimalen Dämpfung, einmal mit stabiler Metallplatte, um den Fuß gegen Durchstiche oder Steine zu schützen. Im Vergleich zu den super-dünnen Sohlen des Vapor Glove spüre ich den Untergrund zwar deutlich weniger, was aber durchaus kein Nachteil ist. Wenn ich vorhabe, stundenlang zu wandern, dann möchte ich meinen Fuß gerne auch entspannen und nicht ständig die gesamte Muskulatur angespannt halten, um jede Unebenheit auszugleichen. Auf Wasserdichtigkeit und Isolation konnte ich den Schuh bisher noch nicht testen, aber der nasskalte Herbst und der Winter sind nicht mehr fern.
Hier muss sich Joe Nimble noch beweisen. Ein anderes (Damen-) Modell aus gleichem Hause hat das schon erfolgreich absolviert. Ich werde berichten.
Joe Nimble ist die Tochtermarke der Bär GmbH, die bereits seit den frühen 80er Jahren optimal sitzende Functional Footwear herstellt. Inspiriert der Barfußrevolution „Born to run“ und einer schweren Sportverletzung, entwickelte Gründungsfamilienmitglied Sebastian Bär seine eigene persönliche Lösung für einen perfekten Schuh: Die Geburtsstunde von Joe Nimble. „nimble“ steht dabei für Beweglichkeit sowie Aktivität und soll so die sportliche Agilität der Schuhe unterstreichen.
Der Joe Nimble bietet eine kompromisslose Zehenfreiheit und unterstützt den großen Zeh dabei, die natürliche Funktion als Anker und Stabilisator auszuüben. Somit steht man auf stabiler Basis und der Rest des Körpers kann sich entspannen. Bei einer instabiler Basis und kompromittierter Zehenfreiheit (2mm reichen schon für einen negativen Trend) ist das Gegenteil der Fall und die Stabilität muss im Rest des Körpers aufgefangen werden, was zu Fehlbelastungen und Verschleiß in Gelenken und trigger points im Rücken führen kann.
Hinweis: Dieser Artikel wurde nicht von Joe Nimble gesponsert. Die Tatsache, dass wir ein Paar Schuhe für diesen Artikel kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen haben, bleibt ohne Einfluss auf unsere Meinung und unseren Text. Lest den Outdoor Blogger Codex für mehr Informationen über Bloggertransparenz.