Mit Nachdruck und wiederholt ermahnte mich die Pressedame, ich solle bitte langsam machen und nicht direkt übertreiben. „Klar, red du nur“, dachte ich, „was will denn die von mir?! Ich kann laufen.“ Meine Füße sind doch schon trainiert, laufe ich schließlich seit fast vier Jahren in Barfuß- und Minimalschuhen. Was soll mir schon so ein neuer Schuh anhaben können?
Draußen vor der Tür lag noch fast ein halber Meter Schnee als der Postbote endlich das lang ersehnte Paket brachte. Drinnen waren bunte, schöne, leichte, bezaubernde und nigelnagelneue Merrell Vapor Glove 2. Jippieh, am liebsten würde ich direkt loslaufen, aber bei dem Wetter müssen die lieben Schlappen noch ein wenig warten. Also wieder rein in die Kiste und abwarten bis zumindest der Schnee auf dem Gehweg geschmolzen ist.
Vier Wochen später war es dann endlich soweit. Zum Rennen über Trails lag zwar noch zuviel Schnee, jedoch konnte ich die strahlenden Merrells wenigstens mal auf dem Weg in die Garage und zum Einkaufen probetragen. Der erste Gedanke: Die sind aber ganz schon leicht, direkt und hart – wann ist bitte endlich der Schnee weg, das wird spannend beim Laufen!
Die Wochen zogen sich dahin, bis endlich mein Lieblingstrail ohne Schneereste belaufbar war. Also rein in die Pantoffeln und los. Die ersten Schritte aus dem Haus auf Asphalt zeigten schon, dass ich mich doch sehr auf meinen Laufstil konzentrieren muss: Immer schön Vorfuß-Laufen, bloß nicht mit der Ferse aufsetzen. Komisch, bei meinen Lunas Oso war das „einfacher“, da genügte notfalls auch der Mittelfuß. Ein kurzer Vergleich der Sohlen zeigte schnell, dass ein guter Zentimeter weicher Vibramsohle (Lunas) eben doch viel besser und effektiver dämpft als ein paar spärliche Millimeter harter Vibramsohle (Merrell). Auch mein Inov8 Bare X-Lite mit Null Millimeter Sprengung hat eine richtige Komfort-Dämpfung dagegen. Was für eine Überraschung, oder?
Angekommen auf dem Trail, galt es die ersten steilen Höhenmeter zu überwinden. Wurzeln, (kleine) Steine und Waldboden waren die ersten Herausforderungen an das auf den ersten Blick „übersichtlich“ wirkende Profil. Schon wieder eine Überraschung – Grip bei jedem Schritt!
Also schnell weiter und rüber zu den Flow-Passagen, leicht kupierte Wege am Berghang entlang mit stetig wechselndem Untergrund: kleine Steine, große Steine, Stufen, rauf, runter, Kurve, Baum, Brücke, Wurzeln und das Ganze von vorne. Einfach herrlich, nur die Kombination aus Vorfuß-Laufen und purer Lauffreude sorgt für immer mehr Tempo und explodierende Pulszahlen… Puh, aber Spaß macht das schon.
Der nächste Testabschnitt – feuchte Steine durch kleine Gebirgsbäche – lässt nicht lange auf sich warten. Hier hatte ich mit meinen Salming Elements überaus schlechte Erfahrungen (Aua!) gesammelt. Der Salming funktioniert zwar im Morast sehr gut, jedoch sollte man nasses Holz oder nasse Steine dringend mit den groben Stollen vermeiden. Naturgemäß kann ein solches Profil keinen Grip auf rutschigen Oberflächen erzeugen. Und was soll ich euch zum Merrell sagen? Schon wieder eine Überraschung: Das relativ kleinteilige Profil erzeugt auch hier richtig Grip. Begeisterung pur. Nur auf den nächsten Metern, mit etwas Matsch auf dem Weg, kommt der Schuh an seine Grenzen. Das kann der gar nicht.
Weiter geht’s, der Abstieg steht bevor. Locker flockig bergab, immer schön im Vorfuß dämpfend. Da muss ich schon genau hinschauen, wohin ich springe, denn jedes kleine Steinchen geht nahezu ungefiltert durch. Man spürt einfach sehr genau, wo und auf was man gerade läuft. Und genau das merke ich auch daheim: Schuhe aus, bitte, und zwar schnell. Meine Füße bitzeln, pulsieren und arbeiten die gesamte Strecke nochmal nach. So direkt und unfiltriert hatte ich Laufen noch nicht erlebt. Minimal-Schuhe sind eben keine Barfuß-Schuhe, und weniger als der Merrell wäre für mich fast gleich Barfuß.
Mein Fazit? Ganz einfach: absoluter, neuer Lieblingsschuh im Dauereinsatz. So sehr, dass ich meiner Frau gleich einen in ihrer Größe bestellt habe.
Warum, ist dabei ganz einfach. Ich habe bisher nur sehr wenige Schuhe gefunden, die so locker und gleichzeitig verbindlich den Oberfuß fassen können. Die Ferse sitzt fest genug, um nicht zu verrutschen, gleichzeitig locker genug, um nicht einzuengen. Der Vorfuß genießt eine wunderbar breite Zehenbox, so dass tatsächlich alle fünf Zehen beim Laufen mitarbeiten können.
Wenn ich heute an die Warnungen der Presseabteilung zurückdenke, dann muss ich die nun wirklich bestätigen. Dieser Schuh ist etwas für Geübte. Und er ist bestimmt auch nichts für ein lockeres Rollen oder lange Einheiten auf Asphalt. Geht man aber mit ihm auf Trails oder in den Wald, dann macht er einfach nur noch Spaß!
Eine Übersicht zu weiteren funktionalen Schuhen für Groß und Klein findet ihr in unserer Schuhübersicht.
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