München, 10:30, 4°C, Regen: 549 Menschen mit offensichtlichem Hang zu einer besonders perfiden Spielart des Masochismus‘ rennen nach dem Schuss einer Pistole in den Forstenrieder Wald. Erstaunlich ist auch, dass sie alle hintereinander aufgereiht laufen und nur manchmal zu zweit oder zu dritt nebeneinander. Jedenfalls bewegen sie sich alle in die gleiche Richtung. Ein Beispiel für Schwarmintelligenz oder doch nur Massenhysterie? Die Bedeutung der Zahlen auf ihrer Brust bleibt im Dunkeln.
Irgendwann kommen sie dann wieder aus dem Wald herausgelaufen. Keiner weiß, was sie dort getrieben haben. Man erkennt nur, dass sie immer noch hintereinander herlaufen, jetzt kaum noch nebeneinander und mit größeren Abständen. Sie sehen nass und müde aus, zudem schlammverkrustet. Am Ende laufen sie durch ein Tor und stürzen sich anschließend auf am Rand stehende Pappbecher, deren Inhalt sie gierig in sich hineinschütten. Erbärmliche Szenen, welche den zivilisatorischen Fortschritt in Frage stellen.
Und trotzdem: drei Läufer – drei Bestzeiten! Allen Widrigkeiten zum Trotz konnte jeder zeigen, dass das Training gefruchtet hat und dass mit jeder Menge Selbstvertrauen nach Wien gefahren werden kann. Die Strecke mag ein wenig länger sein, aber nach dem Wälzen aller verfügbaren Tabellen in der einschlägigen Laufliteratur ist für jeden die bereits vor Trainingsbeginn (nach dem Bad Füssinger 10er) abgeschätzte Zielzeit möglich. Falls diesbezüglich Fragen auftauchen: Ich werde trotz der ersten Top100-Plazierung meiner Läuferkarriere mein Marathonziel nicht nach oben korrigieren.
Manche Läufer (die meisten?!) waren sogar so auf ihren Laufrhythmus und die Läufer vor sich konzentriert, dass sie gar nicht das Wildschwein neben der Strecke sahen. Ein spannendes Bild: Massen von Läufern auf einer langen Geraden, ein Meter neben der Strecke ein dickes fettes Wildschwein schnüffelnd mit der Nase auf dem Boden. Als Spaziergänger hätte ich ganz schön Schiss gehabt!