Ich muss zugeben, dass ich mich bei der Fiaker-Rundfahrt nach dem Marathon an kaum eine Straße erinnern konnte, durch welche wir (angeblich und nach Bekunden meiner Mitfahrer und -läufer) geführt wurden. Auf den ersten 10 km lag das daran, dass Unmengen Läufer die Sicht und vor allem auch den Weg versperrten. Dadurch musste ich mich auf spontan auftauchende Lücken konzentrieren, in die ich reinspringen konnte, damit der Puls nicht in den GA2 absackte. Auf den zweiten 10 km waren wir irgendwo im äußeren Stadtgebiet und es gab nicht so viel zu sehen – ich erinnere mich an die Haltestelle „Schönbrunn“ und den einzigen mir bewussten Krankenwageneinsatz. Auf den dritten 10 km waren endlich die Halbmarathonläufer von der Strecke gegangen und ich begann meine Aufholjagd in Richtung Zielzeit 3h30min, welcher ich knapp 3min hinterherlief. Bei teilweise um eine halbe Minute pro Kilometer gesteigertem Tempo konnte ich nun wirklich nichts mehr wahrnehmen. Am Anfang der vierten 10 km ging es auf die Praterallee. Diese war endlos lang und musste für 2km hin und für 2km zurückgelaufen werden. Oder waren es doch mehr? Jedenfalls wäre diese Strecke ohne die aus Lautsprechern donnernde Musik à la „I will survive“ und „Highway to hell“ nicht erträglich gewesen. Irgendwo dort muss es gewesen sein, als mir eine Helferin aus einer Wasserwanne mit beiden Händen schöpfend eine Komplettdusche verpasste. Danke, das war äußerst professionell! Bei Kilometer 36 verließ mich langsam aber stetig die Lust. Einen Kilometer später traf ich auf Lotte und Philipp in der Gegenspur – ca. 9 km hinter mir. Etwas überrascht (ich hatte sie irgendwie nicht mehr erwartet) schrie ich ein verkrampftes „Alpenschleicher“ über den Asphalt. Ich hing kurz dem Gedanken nach, dass die beiden erst in einer Stunde an gleicher Stelle sein würden und konnte zwischen Bedauern und Bewundern nicht unterscheiden. Indessen werden meine Zeiten wieder langsamer. Kann ich noch zulegen? Nein! Nach 40 km wurden die Spaliere immer enger und der letzte Kilometer ging durch eine kaum 2 m breite Menschengasse. Da ich niemanden kannte, fand ich die vielen Menschen eher überflüssig. Der Tunnel in meinem Kopf reichte nur noch von der linken zur rechten Schulter. 42 km – endlich einbiegen in die Hofburg bzw. auf den Heldenplatz. Linke Spur auswählen, weil sie fast leer war. Schlussspurt anziehen, zum letzten Mal überholen, gerade so den blauen Zielteppich erwischen. Stoppuhr anhalten: 3:30:50. Schmerzen spüren. Jetzt, erst jetzt. Wie konnte ich eigentlich so lange mit solchen kaputten Beinen laufen? Egal.

Nach einigen Minuten kam die Erkenntnis, dass ich es geschafft hatte, den Marathon zu laufen und auch noch meine Wunschzeit auf die Minute genau zu erreichen (was sind schon 50 Sekunden). Nach einigen Stunden kamen weitere kleine und größere Erkenntnisse zum Rennverlauf, die sicherlich in einen der nächsten Läufe einfließen werden, aber jetzt nur die Freude über das Erreichte schmälern würden. Aber eines ist mir dennoch wichtig: Der Marathon war nicht 42,195 sondern 769 km lang und ich habe 16 Wochen dafür gebraucht. Anders gerechnet sind es zwei Jahre. Im April 2007 bin ich zum ersten Mal mit Djordje an der Isar gejoggt: 4km.

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