Mal Hand aufs Herz – wer hatte den Traum vom eigenen Bulli und der großen, weiten Reise noch nicht? Ein Blick in Instagram & Co. genügt, um sich bestätigt zu fühlen: Es ist ein generationsübergreifendes Virus. Egal welche Bauserie, die Hauptsache ist, dass es ein VW sein muss. Wer macht denn schon eine Weltreise (oder doch nur eine kurze Reise zum Festival am nächsten Stausee) in einem Mercedes Viano? Viel zu spießig! Nein, stilecht muss es sein. Und das wahre Gefühl kommt eben nur in einem VW. Soviel zum Marketing. Die nackte Wahrheit sieht dann aber am Ende wieder ganz anders aus.

Jeder, der sich mit dem Thema Bulli schon mal beschäftigt hat, kennt alle Baureihen. Die ganz alten T1 und T2 sind Kult pur, jedoch in einem guten Zustand auch unbezahlbar. Ein T1 Samba im perfekten Zustand mit insgesamt 23 Fenstern knackt da mal ganz leicht die 100.000 € Grenze. Ein guter T2 ruft immer noch ordentliche Preise auf, die einen Normalverdiener und Familienvater das Grausen lehren. Wie wäre es mit einem T3? Hier geht es in Sachen Bezahlbarkeit so langsam los. Zumindest was den Kaufpreis betrifft. Das Entsetzen kommt dann meist beim ersten Besuch in der Werkstatt seines Vertrauens. Hier bekommt man als stolzer Neubesitzer einer echten Ikone einen von zwei Gesichtsausdrücken zu sehen: ernsthaftes Mitleid oder eine Begeisterung, als wenn der Werkstattbesitzer gerade auf eine Goldmine gestoßen wäre.

Was ist mit dem T4? Hier wird es definitiv interessanter. Robuste Technik, halbwegs bezahlbare Unterhaltskosten und, wenn man Glück hat, auch nur ein oder zwei außerplanmäßige Werkstattbesuche. Pro Jahr versteht sich. Dazu aber später mehr.

Es war Liebe auf den ersten Tritt

Mein „erstes Mal“ hatte ich mit Anfang Dreißig. Und es war wirklich toll. Ich wollte mehr davon. Unbedingt. Und unbedingt musste es der dickste, fetteste und stärkste von allen sein. Was ich meine? Meine ersten Kilometer am Steuer eines Bullis, einem T4 Multivan. Großer Schiffsdiesel, fette Schlappen drauf, Sportfahrwerk und die Leistung (deutlich) optimiert. Es war wirklich Liebe auf den ersten Tritt aufs Gaspedal. Wir waren damals zu siebt auf einer Mountainbike-Transalp und hatten DIESEN einen Bus mit Hänger für die Fahrräder. War es eine Strafe, einen Tag nicht mit dem Rad mitfahren zu dürfen, sondern stattdessen den Teambus zum Ziel der nächsten Etappe zu fahren? Ja und Nein. Und eine Strafe war es eigentlich auch nur deshalb, weil man mit dem Hänger hintendran langsamer um die Ecken fahren musste, als es der Bus eigentlich konnte. Ab diesem Urlaub war ich infiziert. Ich wollte auch so ein Ding. Unbedingt.

Der erste eigene Bulli

Es dauerte noch ein paar Jahre, aber dann… Groß war mein Traum geworden und groß sollte er auch sein: mein erster Bulli. Es wurde dann ein T4 Multivan 2,5 TDI in Rot. Mit Standheizung, Anhängerkupplung, sieben Sitzen, verdunkelten Scheiben, tiefer gelegt und schicken 17 Zoll Alufelgen mit fetten Reifen drauf. Ein echter Traum. Mein Traum. Mit knapp 120.000 km und sieben Jahren auf dem Buckel aus erster Hand. Der Preis? Sagen wir mal so: Ich kaufte von einem VW Händler. Mit anderen Worten, der Preis war wirklich stolz für meine Begriffe. Aber so ist es eben, wenn man sich seine Träume erfüllen will – die Vernunft muss man an der Garderobe abgeben. Und schließlich bekommt man ja für den Preis eine (wertlose) Händler-Garantie dazu. Was die wert war, zeigte sich auch direkt eine Woche später, als es um die Regulierung der ersten Schäden und Defekte an dem neuen Gefährt ging.

Nein, nicht falsch verstehen – ich lieb(t)e meinen Bus wirklich. Nach acht Jahren und weiteren 140.000 km haben wir uns jedoch von unserem Schiff getrennt. Warum, werden sich mit Sicherheit viele fragen. Warum trennt man sich von einem VW Bus, wenn man in der Zwischenzeit eine Familie mit zwei Kindern gegründet hat? Nun, das hat viele Gründe.

Laufende Kosten sollte man beachten und einkalkulieren

Zum einen sind es die laufenden Kosten, die den Traum so kostbar machen. Gute 400 € (Diesel) Steuer zu den gut 600 € Versicherung pro Jahr, wohlgemerkt bei einer sehr günstigen Versicherungsklasse, sind das eine. Auf der anderen Seite stehen die durchschnittlichen Service- und Werkstattkosten, die so ein gemütlich alterndes Gefährt mit sich bringt: Im Schnitt hatten wir mit zusätzlichen Unkosten von gut 2.000 € jährlich zu rechnen. Waren es in einem Jahr ein neuer Satz Reifen, eine komplette Auspuffanlage oder einmal Bremsen rundum, kamen im nächsten Jahr neue Traggelenke, neue Dämpfer, eine ausufernde Rostbehandlung, defekte Türschlösser, neue Windschutzscheiben (weil mal wieder ein Stein genau im Sichtfeld gelandet war) oder der teure (doppelte) Zahnriemen-Wechsel samt Wasserpumpe und Anbauteilen. Es gab kein einziges Jahr in der gesamten Zeit, in dem wir nicht mit einem Sonderposten in unserem Haushaltsbudget rechnen mussten. Was aber seltsam daran war: Wir haben uns keinerlei Gedanken darüber gemacht. Nicht, weil wir so viel verdient haben und das aus der Portokasse hätten zahlen können. Nein, wir hatten unseren Traum. Und der war es wert. Wir hatten uns damit unsere große Freiheit erkauft. Zumindest solange wir noch kinderlos waren.

Schlafen im Zelt oder im Bus

Wir waren viel mit unserem Bus unterwegs. Meistens vollgepackt bis oben hin – Platz war ja genug da. Fahrräder? Klar, einfach rein oder hinten auf den Ständer. Ski? Einfach rein. Klamotten? Für jedes Wetter und für jede Gelegenheit. Schuhe, Rucksäcke, Equipment, alles kam mit auf Reisen. Wie praktisch, konnte man doch erst vor Ort entscheiden, was man jetzt denn im Urlaub wirklich braucht. Und da war es schon, das erste Problem. Packt man das Auto so voll wie wir, wird es kompliziert beim Schlafen. Wo stellt man jetzt alles hin, wie packe ich um, dass ich die Rücksitzbank in ein Bett verwandeln kann? Also Auto ausleeren, Sitze drehen, Bett bauen, Auto wieder vollpacken, versuchen zu schlafen. Ganz schön warm und stickig hier drin. Also Fenster auf. Oder lieber wieder zu, da kommen ja Mücken rein. Und so richtig bequem liegt man auf den Gurtschlössern dann auch nicht. Fazit: Wir schlafen dann doch lieber wieder im Zelt. Aber kein Problem, das passt ja auf jeden Fall auch noch mit den Bus. Nur kommt man sich selbst bei einem kleinen Wochenendausflug so vor, als würde man gerade wieder umziehen – schließlich findet sich am Ende der halbe Hausstand im Wagen wieder.

Warum der VW T4 Multivan kein Familienauto ist

Machen wir mal ein Experiment. Stellen wir uns mal an eine Ampel und beobachten den Verkehr. Und dann schauen wir uns die Fahrer von VW Bussen bzw. alle Insassen genau an. In gut 80% aller Fälle fahren und reisen exakt zwei, meist kinderlose Personen mit einem Bus. Vielleicht liegt das am verfügbaren Haushaltsbudget, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht sind es auch die kleinen Dinge, die einen T4 nicht unbedingt familientauglich machen. An dieser Stelle muss ich darauf hinweisen, dass es sich um eine sehr persönliche Erfahrung und Meinung handelt. Es werden auch nicht repräsentativ belegbare Argumente herangezogen. Es ist höchst subjektiv und nur auf unseren Fall bezogen.

Jede Medaille hat zwei Seiten

Platz für Ausrüstung bietet der T4 Multivan in Hülle und Fülle. Wir konnten unseren Chariot CX einfach hinten quer auf die Bettverlängerung stellen. Klappe auf, Kinderwagen rein, Klappe zu, fertig. Es war so einfach, dass wir unseren Kinderwagen wirklich immer dabei hatten. Dumm nur, dass auf diese Weise kein echter Kofferraum mehr vorhanden war. Das führte dazu, dass unser Gepäck auf der Rückbank landete. Schwupps waren drei von sieben Plätzen belegt.

Noch ein Vorteil: War es den Kindern auf langen Strecken langweilig, so konnte einer von uns ganz nach hinten (wenn die Bank mal nicht mit Gepäck belegt war) durchklettern, den Sitz samt Kind drehen, und schon war wieder Frieden und Ruhe im Auto, denn das Eltern-Entertainment-Programm funktionierte hervorragend. Nur der Fahrer war dann als alleiniger Chauffeur ganz aus dem Geschehen. Verstanden hat man so auch die hinten sitzenden Mitfahrer nicht mehr: Zum einen waren die Motor- und Fahrgeräusche zu dominant, zum anderen musste man sich auf Grund der Entfernung schon anschreien, um noch gehört zu werden.

Die fest installierte, nicht verschiebbare Sitzbank birgt aber noch mehr Nachteile: Fehlen dem Bus die optionalen und teuren Drehsitze des Multivan, sitzen die Kinder sehr weit von den Eltern weg. Unterhaltung? Fehlanzeige. Als Beifahrer Essen, Trinken, Picknick oder Sonstiges während der Fahrt nach hinten reichen? Fehlanzeige. Trösten oder einfach mal nach dem Kind sehen, ob es ihm gut geht? Fehlanzeige. Einfacher Temperatur-Check? Leider nein, aber wichtig wäre er, denn die Heizleistung im Winter ist hinten im Bus eher unterdurchschnittlich und Schiebefenster sowie Schiebetür sind mit reichlich Frischluftdurchsatz versehen. Wird es den Eltern vorne langsam zu warm, wird das Kind hinten wohl noch frieren. Fehlt dann noch der optionale und teure Klimahimmel inklusive zweitem Verdampfer sowie die Wämeschutzverglasung, sieht es im Sommer ganz anders aus. Während vorne sich die Klimaanlage müht und für erste Frostbeulen sorgt, befindet man sich in der letzten Reihe noch in den Tropen. Leider lässt sich da auch kein Fenster öffnen.

Captain Jack Sparrow lässt grüßen

Einmal unterwegs war das Fahrgefühl super. Wirklich. Kurze Überhänge vorne und hinten machten das Auto schon fast handlich, einparken war auch in der Großstadt ein Kinderspiel – sofern man mitten in München tatsächlich Parkplätze findet, die über 10 qm Auto aufnehmen. Mit einer Breite (in engen Gassen werden auch die großen Spiegel relevant) von 2,20 m und einer Länge von knapp 5 m wird es manchmal schwierig, direkt einen Parkplatz vor dem Haus zu finden. Passende Stellplätze oder Garagen sind in München rar gesät – und in eine Duplex Garage passt eben kein Auto von 2 m Höhe. Auf der Autobahn hat man aber genau damit den Vorteil aufgrund der Größe von anderen Verkehrsteilnehmern erstens ernst genommen zu werden, zweitens genießt man eine Aussicht und Übersicht über den fahrenden Verkehr, der seines Gleichen sucht. Das ist wirklich fantastisch und wirkt auch ebenso entspannend und beruhigend auf der Reise. Wer einmal VW Bus auf der Autobahn gefahren ist und dabei den Soundtrack von „Pirates of the Caribbean“ gehört hat, weiß wovon ich spreche…

Auch Liebe rostet langsam

Was war für uns letztlich der eigentliche Grund, uns von unserem großen roten Schiff zu trennen? Zum einen war es die finanzielle Sorge vor der nächsten großen Generalsanierung. Bei den jährlichen laufenden und zu erwartenden Kosten würde sich auch ein Neuwagen schnell rechnen. Der andere Grund ist da pragmatischer Natur: Wir sind umgezogen und wohnen jetzt nicht mehr in der Münchner City, sondern an einem Berg im Grünen. Damit änderte sich auch die normale Fahrzeugnutzung von Lang- auf Kurzstrecke. Statt regelmäßiger, weiter Ausflüge in die Berge mussten jetzt die kurzen Wege zum Einkaufen oder zum Kindergarten abgedeckt werden. Ein Umstand, den ein so großer Dieselmotor auf Dauer gar nicht mag. Zudem haben wir endlich auch eine Garage, aber die erlaubt nur eine Fahrzeughöhe von maximal 1,80 m und eine Länge von 4,80 m. Zu klein für unser rotes Abenteuermobil. Am Straßenrand parken war jedoch auch keine Option, da im Winter bei Schneelage einfach kein Parkraum mehr vorhanden ist. Im Sommer war das Problem wiederum anderer Natur: Der Haltemechanismus der Schiebetür sichert bei einem Gefälle (unserer Straße) von 15-18 % nicht mehr zuverlässig. Ein echtes Sicherheitsrisiko mit kleinen Kindern, denn in eine solche Guillotine sollte lieber nichts dazwischen kommen.

Ist der VW Multivan T4 ein Familienauto? Ja und nein.
Gibt es geeignetere Autos für Familien? Definitiv ja.
Würden wir wieder einen Bus kaufen? Alte Liebe rostet nicht.